Das Milliarden-Dollar-Konjunkturprogramm

23.02.2023

PALFINGER wertet Nordamerika als eine der wichtigsten Wachstumsregion. Diese erwies sich 2022 als der am stärksten wachsende Markt. Und das ist erst der Anfang. Leandro Lecheta, CNH-Leiter für Baumaschinen in Nordamerika, spricht über die Auswirkungen der Konjunkturprogramme der US-Regierung und darüber, wie europäische Unternehmen Teil des amerikanischen Projekts werden können.

F: Die Regierung Biden hat ein milliardenschweres Förderprogramm zum Wiederaufbau der US-Wirtschaft beschlossen. Wie schätzen Sie die Auswirkungen ein?

Lecheta: Da sind einige wirklich große Dinge auf den Weg gebracht worden. Bis wir Ergebnisse sehen werden, wird aber noch etwas Zeit vergehen. Ich illustriere Ihnen das anhand eines Beispiels: Der Wohnbau macht etwa die Hälfte des US-Baugeschäfts aus. Aufgrund der derzeit hohen Zinsen und der hohen Inflation zögern die Menschen, neue Häuser zu kaufen. Angesichts dieser Rahmenbedingungen erwarten wir ein Wachstum im Baugeschäft von etwa fünf Prozent – das ist deutlich niedriger als die 8,5 Prozent im Jahr 2021. Auch vom Büromarkt gehen derzeit wirklich keine Wachstumsimpulse aus. Während der Pandemie sind die Unternehmen dazu übergegangen, ihren Mitarbeitern Teleworking und Homeoffice anzubieten. In Texas, bis vor kurzem die Wachstumsregion Nummer eins in den USA, verhandeln die Kunden ihre Mietverträge für Büros neu, weil sie die großen Flächen nicht mehr benötigen. Diese negativen Entwicklungen aber werden, davon sind wir überzeugt, vom Infrastrukturpaket ausgeglichen werden.

F: Ein positiver Effekt führt zum nächsten positiven Effekt?

Lecheta: Ganz genau. Sehen Sie sich nur den Umfang des Infrastrukturprogramms an: Wir sprechen hier von einem 550-Milliarden-Dollar-Programm. Die Regierung hat angekündigt, dass das Projekt über fünf Jahre laufen soll. Wir glauben, dass es acht bis zehn Jahre dauern wird. Einfach weil die Infrastruktur in den USA von Grund auf erneuert werden muss. Die letzten großen Investitionen wurden in den 80er Jahren getätigt. Die US-Infrastruktur wird immer älter. Wir erwarten, dass dieses Konjunkturprogramm in etwa zwei Jahren an Fahrt gewinnen wird. Und wir sind zuversichtlich, dass sich der Wohnbau bis 2025/26 erholen wird, und wir dann auch in diesem Segment wieder erhebliches Wachstum erleben werden.

F: Die US-Regierung konzentriert sich auf die Stärkung der amerikanischen Wirtschaft, der amerikanischen Unternehmen und der amerikanischen Technologie. Wie kann sich ein europäisches Unternehmen in dieses Konzept einfügen?

Lecheta: In den nordamerikanischen Markt einzutreten, das ist einfach. Erfolgreich zu sein, das ist wegen der Besonderheiten des Marktes deutlich schwieriger. Das Baugewerbe ist sehr traditionell aufgestellt, die Menschen erwarten, dass bei Bauprojekten Produkte „made in USA“ verwendet werden. Daher ist es zunächst einmal wichtig, klarzustellen, dass man als Unternehmen gekommen ist, um zu bleiben, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und dafür Lösungen zu finden. Versuchen Sie nicht einfach, Ihr europäisches Modell auf den amerikanischen Markt zu übertragen, denn damit werden Sie ziemlich sicher scheitern. Sie brauchen eine klare Botschaft, und Sie müssen bereit sein, in den USA zu investieren. Sorgen Sie dafür, dass Sie über versierte Ingenieure verfügen und über Produktentwickler, die den Markt verstehen. Eröffnen Sie ein Headquarter, richten Sie dazu auch ein Ersatzteillager ein oder sogar eine Endmontage, also lokale Niederlassungen, mit denen Sie sagen können: Hey, es ist vielleicht kein amerikanisches Produkt, aber wir entwickeln es speziell für Nordamerika und nordamerikanische Anforderungen.

F: Was wäre denn ein Beispiel für eine spezifisch US-amerikanische Anforderung?

Lecheta: In den USA herrscht derzeit ein Mangel an Arbeitskräften. Das ist einer der Gründe dafür, dass die Digitalisierung in der Branche Fahrt aufnimmt. Es geht dabei um die Vernetzung von Maschinen und darum, die gewonnene Information für Effizienzgewinne zu nutzen. Wenn es Ihnen gelingt, Partnerschaften mit Lkw-Produzenten einzugehen, bei denen Sie die Technologie bereitstellen, um Ihren Aufbau mit dem Lkw kommunizieren zu lassen; wenn Sie in der Lage sind, die Arbeitsbelastung des Fahrers und des Bedieners zu verringern und dabei die Effizienz zu steigern; wenn Sie garantieren können, dass die Informationen von Lkw und Aufbau auf Knopfdruck verfügbar sind  – dann ist das in den USA ein Riesenvorteil. Hier kann man mit neuen Technologien und Effizienz den Markt aufrütteln. Und noch ein letzter Gedanke zu diesem Thema: Es ist wichtig, dass Ihre Kunden sehen, dass Sie planen, langfristig Teil des großen amerikanischen Projekts zu sein.

F: Dieses amerikanische Projekt...

Lecheta: ...besteht darin, Arbeitsplätze und Industrie zurück in die USA zu bringen. Es kombiniert den Infrastructure Investment Jobs Act, den Chips Act und den Inflation Reduction Act. Zusammen geht es um mehr als 1,2 Billionen Dollar zur Ankurbelung und zum Wiederaufbau der amerikanischen Wirtschaft. Die Auswirkungen werden mindestens zehn bis 20 Jahre spürbar sein. Das wird den gesamten nordamerikanischen Markt einen großen Aufschwung geben  Und eine Verbesserung bringen.

 

F: Vielen Dank für das Gespräch.